Ein Beitrag von Uwe Mehlhaff aus dem Magazin für analoge Musikwiedergabe (AAA)
Die Frage, welche LPs man auf die einsame Insel mitnehmen würde, wurde schon vielen prominenten Musik-Fans gestellt. Und die Antworten verblüfften immer wieder, da sie doch intimen Aufschluss auf den Musikgeschmack des Befragten geben. Aber keiner dachte auch nur annährend darüber nach, ob es auf der einsamen Insel Stromanschluss und eine Anlage zur Musikwiedergabe gibt. Ohne beidem nützt die schönste und liebste LP nichts. Auch wenn ich nicht prominent bin, so bin ich zumindest Musik-Fan durch und durch, und darf daher an dieser Stelle meine drei LPs für die einsame Insel vorstelllen.
Mitte der Achtziger Jahre hatte eine seinerzeit bekannte Orgelbaufirma eine Dependance hier in Köln-Ehrenfeld auf der Haupteinkaufsstraße, der Venloer Straße. Hier fand ich eine zeitgleich in einem HiFi-Magazin besprochene LP mit dem Titel „Barbara Dennerlein“: Jazz live auf der Böhm“ (Bestellnr. 65141) Barbara Dennerlein, Jahrgang 1964, und damals etwa 20 Jahre alt war noch am Anfang ihrer Karriere, und für mich gänzlich unbekannt. Fasziniert hat mich (und tut es immer noch) diese recht leise eingefangene Aufnahme deshalb, da hierfür verhältnismäßig einfache Technik benutzt wurde: eine Bandmaschine B77 von Revox, ein Mischpult 6001 des nicht mehr existenten Münchener Elektronikbausatzhersteller RIM sowie diverse dynamische Richtmikrofone von Sennheiser der Baureihen MD421 und 441.
Bei der Revox B77 handelte es sich um eine Bandmaschine für den Heimgebrauch, das 6001 von RIM war nach heutigen Maßstäben ein kleiner Clubmixer und die Sennheisers für damalige Zwecke sicherlich eine gute Wahl. Bei dieser Platte geht sprichwörtlich die Post ab, da die meisten Stücke (u.a. der Titel 2 „La Fiesta““ auf der A-Seite bzw. auf gleicher Seite der letzte Titel „Now`s the time“) sehr schnell gespielt werden und man staunend vor der Anlage die Fingerfertigkeit von Barbara Dennerlein bewundert. Nach audiophilen Maßstäben ist die Platte sicherlich kein Muss, sie Muss, sie ist einfach nur hörenswert und das immer wieder.
Die zweite LP, die ich mit auf die Insel nehmen würde, beinhaltet 14 „audiophile“ Evergreens der 50er und 60er Jahre. Den Begriff „audiophil“ in einem Atemzug mit Evergreens der 50er und 60er Jahre zu nennen, ist schlichtweg mutig! Diese LP, die image hifi 1999 als „Schlager in hifi -14 audiophile Evergreens der 50er und 60er Jahre“(Bestell-Nr. HiFi 901 199-1) herausbrachte, enthält einen bunten Mix deutscher Hits der damaligen Zeit, die noch von den Nachkriegeswehen gezeichnet war. Und die Texte beziehen sich auf diese Zeit, auch wenn sie für heutige Verhältnisse doch recht kitschig sind. Als die Platte vorgestellt wurde, fragte ich mich im Stillen „Tut das Not“? „Heute muss ich klar sagen, ja!
William McCreery Ramsey, besser bekannt als Bill Ramsey, und damals noch Schlagersänger mit unüberhörbaren amerikanischen Akzent, seine „Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe“ oder Ralph Bedix mit dem „Babysitter Boogie“ geben sich ein Stelldichein. Auch Franz Eugen Helmut Manfred Niedl-Petz, als Freddy Quinn geläufiger, mit seinem Renner “ Die Gitarre und das Meer“ darf hier nicht unerwähnt bleiben. Oder wer schwingt nicht gern das Tanzbein zu Hazy Osterwald`s „Kriminal Tango“.
Eine repräsentative Auswahl zu finden, war für die Leute von Image-HiFi sicherlich nicht einfach. Aber trotzdem finde ich, dass die Mischung gelungen ist. Audiophil hin oder her, die Platte ist ein Muss für Sammlung.
Auch meine dritte LP für die einsame Insel – wiederum eine Jazz-Scheibe, aber diesmal ein Sampler – ist schon eher ausgefallen. So verwundert es nicht, dass ich diese Scheibe vor vielen Jahren hier in Köln in einem Second-Hand-Vinylladen fand. Die „1. RP Jazz Band“ (Bestell-Nr. RP 76 001 1/2) nennt sich dieser Sampler, der als Sonderauslage von den Rhenischen Post, daher RP, heraus gegeben wurde. Zehn Bands wie die Red Hot Pepper Jazz Band, die Schampus Allstars, die Schmackes Brass Band oder Hermann`s Feuerwehrkappelle spielen auf der LP munter Dixieland. Und der Fuß wippt automatisch beim Abhören, und man steht sprichwörtlich live vor der Bühne. Ich habe selten eine Platte gehört, die so lebendig und mitreißende spielt. Einfach klasse.
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