Chris Barber, britischer Jazz-Posaunist und Legende gestorben

Der legendäre Jazzmusiker Chris Barber ist tot. Der Posaunist, der mit „Ice Cream“ einen bis heute populären Welthit hatte, ist im Alter von 90 Jahren nach einer Demenz-Erkrankung am 02.03.2021 gestorben. Das teilte sein Label Last Music Co. mit. Er hat trendsetzend die Entwicklung eines eigenständigen britischen Jazz, aber auch die europäische Blues-Szene beeinflusst.

Chris Barber stand noch bis ins hohe Alter auf der Bühne. Er trat mit seiner Big Band regelmäßig auch in Deutschland auf. Sein ganzes Leben lang blieb der Posaunist dem frühen New-Orleans-Jazz treu.

Barber war einer der letzten großen Big-Band-Leader und spielte sich seit den 1950er Jahren in die Herzen der Jazz-Fans mit Hits wie „Ice Cream“, „Wild Cat Blues“ und „Petite Fleur“. Der Gigant des britischen Jazz stellte aber auch die Weichen für die Blues- und Rock-Explosion, aus der Legenden wie die Beatles und Rolling Stones hervorgingen.

Chris Barbers Karriere

Der Musiker wurde am 17. April 1930 nördlich von London geboren. Sein erstes Instrument war die Geige. Einem Zufall war es später zu verdanken, dass er Bläser wurde. Ein Posaunist bot ihm ein Instrument an, und Barber hatte gerade genügend Geld zur Verfügung. Er studierte Posaune und Kontrabass an der berühmten Londoner „Guildhall School of Music and Drama“. Mit 19 gründete er schon seine erste Jazzband. Die klassische Ausbildung prägte seine Auffassung von Jazz-Improvisationen: Man müsse trotzdem die richtigen Noten spielen, befand er.

Wegweisend für die Beatles und Rollimg Stones

Nicht nur Glenn Miller, sondern auch Chris Barber hat Deutschland nach dem Krieg den Swing gebracht. Der Brite und seine Band waren hier in den 1950er-Jahren so bekannt wie später die Beatles. Für die LP Chris Barber Plays (Vol. 3) griff Barber eine Komposition des aus New Orleans stammenden Sidney Bechet auf, die dieser erstmals im Januar 1952 in Paris aufgenommen hatte: Petite fleur, in Bechets Originalfassung mit Sopransaxophon gespielt. Barber nahm den Instrumentaltitel im September 1955 auf, eine weitere Fassung vom Oktober 1956 erschien dann auf seiner LP. In den 50ern war Barbers Big Band in Großbritannien so bekannt wie die Beatles in den 60ern.

Chris Barber, Gründer des legendären Londoner Marquee Club

1958 gründete er mit einem Geschäftspartner den legendären Londoner Marquee Club, in dem viele zukünftige Rockstars auftraten, darunter die Yardbirds und die Rolling Stones.

Im Jahr 1959 schaffte Barber dann den internationalen Durchbruch mit „Petite Fleur“. Im selben Jahr heiratete er die Bluessängerin Ottilie Patterson (1932-2011). 1983 ließen sie sich scheiden, arbeiteten aber immer wieder zusammen.

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Barber verblüffte 1964 die Traditionalisten, indem er den Blues-Gitarristen John Slaughter in die Besetzung aufnahm. Dieser spielte bis kurz vor seinem Tod im Jahr 2010 in der Band. Die elfköpfige Big Chris Barber Band bot ein breiteres Spektrum an Musik, beruhte aber im Kern auf der traditionellen sechsköpfigen New-Orleans-Besetzung.

Zusammenarbeit mit Paul McCartney

1967 nahm Chris Barber das Instrumentalstück Catswalk, komponiert 1960 von Paul McCartney und von den Beatles in Liverpool im gleichen Jahr aufgenommen, unter dem Titel Cat Call in einem Arrangement von George Martin (mit McCartney als Hintergrundsänger) auf und veröffentlichte es als Single.

In den siebziger Jahren übernahm Barber auch Rockelemente in seine Musik, tourte mit Wild Bill Davis (Juni 1976) und John Lewis (1978). Ab 1976 präsentierte er die Musik Duke Ellingtons. Im April 1980 erschien seine in Kooperation mit Dr. John entstandene LP Take Me Back to New Orleans, die ihn wieder auf die Wurzeln seines Erfolges zurückbrachte.

Auszeichnungen für Chris Barber

1991 wurde er wegen seiner Verdienste um die Musik mit dem Verdienstorden The Most Excellent Order of the British Empire (OBE) ausgezeichnet. Im Juni 2006 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Durham und im September 2013 wurde er für seine Verdienste um die Popularisierung des Blues in Europa im Rahmen des Lahnsteiner Bluesfestivals mit dem dort jährlich vergebenen „Blues-Louis“ ausgezeichnet. 2014 wurde er für sein Lebenswerk mit der German Jazz Trophy geehrt. 2014 veröffentlichte er seine Autobiografie Jazz Me Blues, zusammen mit Co-Autor Alyn Shipton.

Die letzten Jahre

Selbst im hohen Alter gab er noch 100 Konzerte im Jahr und unterhielt sein Publikum mit seinen Hits. Zeit seines Lebens blieb er einerseits dem frühen New-Orleans-Jazz treu, war aber gleichzeitig offen für andere Musikrichtungen. Die Kompilation von 2011, Memories of My Trip, die gemeinsame Aufnahmen mit Stars wie Eric Clapton, Van Morrison und Mark Knopfler aus den letzten Jahrzehnten versammelt, verdeutlicht dies. Erst 2019 zog sich Barber nach einem gefährlichen Sturz nach sieben Jahrzehnten im Musikgeschäft ins Privatleben zurück. Chris Barber, der an einer Demenz-Erkrankung litt, starb am 2. März 2021.