Heute, am 04. März wäre der 78. Geburtstag vom Jazz und Pop Superstar Lucio Dalla
Ich bin ein ganz großer Dalla Fan, wie man auf italienisch sagt und habe fast alle Platten von Ihm. Man könnte beinahe sagen, er ist der Quincy Jones Italiens. Er komponiert ein Meisterwerk nach dem anderen und hat dem Jazz und Pop unglaubliche innovative Impulse mit seinen Liedern verliehen. Ein ganz großer Texter und Lyriker, Poet und Songschreiber der Italien wie kein anderer von den 60er bis in die 90er Jahre mit seiner Musik geprägt hat. Wir wollen einige der wichtigsten Stationen seines Lebens zusammenfassen.
Wer Lucio Dalla nicht kennt, sollte mit „The best of Lucio Dalla“ anfangen, eine Platte oder CD die in jede Musiksammlung gehört. Ich kann alle seine Platten empfehlen, da seine Musik so variabel und einzigartig ist. Wenn man die Musik von Lucio Dalla hört, denkt man sofort an Italien und die vielen Geschichten der Menschen in Zeiten wo das Stadtleben doch etwas entspannter war als heute.
Seine Karriere durchlief mehrere Phasen: von Beatmusik über rhythmische und musikalische Experimentierfreudigkeit zur canzone d’autore und bis an die Grenzen der Oper. Er erreichte auch außerhalb Italiens größere Bekanntheit und mehrere seiner Lieder wurden in andere Sprachen übertragen und im Ausland veröffentlicht.
Die ersten Jahre Lucio Dallas
Lucio Dalla kam am 4. März 1943 in Bologna zur Welt. Der ursprüngliche Jazzmusiker war einer der bedeutendsten und innovativsten italienischen Cantautori. Immer auf der Suche nach neuen Einflüssen, erkundete er verschiedenste musikalische Genres und arbeitete dabei mit einer Vielzahl bekannter nationaler und internationaler Künstler zusammen. Als Songwriter beschränkte er sich zunächst nur auf die Komposition, übernahm jedoch bald auch die Textdichtung und schrieb seine Texte selbst. In seiner über 50-jährigen Karriere spielte Dalla Klavier, Saxophon und Klarinette, wobei er die beiden letzteren schon als Kind erlernte.
Lucio Dalla trat bereits in der Grundschule in Schultheaterstücken auf. Inspiriert von seinem Onkel begann Lucio sehr jung, Akkordeon zu spielen. Seine Mutter erkannte sein Talent früh und ließ ihm viele Freiheiten. Mit 15 Jahren ging er nach Rom. Nach Abschluss der Pflichtschule versuchte er sich an Rechnungswesen, klassischem Lyzeum und Sprachengymnasium. Gleichzeitig trat er schon verschiedentlich als Musiker auf.
Dalla und Chet Baker
Zurück in Bologna entwickelte Dalla ein großes Interesse für den Jazz. Schon zu seinem zehnten Geburtstag hatte er eine Klarinette geschenkt bekommen. Er erlernte das Instrument autodidaktisch und trat mit anderen Laienmusikern in der Stadt auf. Bedeutsam war das Treffen mit dem US-amerikanischen Trompeter Chet Baker, der zu jener Zeit in Bologna lebte; mehrmals erhielt der junge Dalla die Möglichkeit, mit dem Jazzmusiker aufzutreten. Popmusik betrachtete er in diesem Alter sehr kritisch. Als Jazzer trat er später auch mit Bud Powell, Charles Mingus und Eric Dolphy auf.
Dalla machte bei seiner ersten Reise in den Süden des Landes Urlaub in Manfredonia (Apulien).Der Musiker blieb der Gegend und besonders Manfredonia sein Leben lang sehr verbunden. Auf den Tremiti verbrachte er seine künftigen Urlaube und richtete dort später auch ein Aufnahmestudio ein.
Die 60er-Jahre
1960 nahm Dalla mit der Rheno Dixieland Band am ersten europäischen Jazzfestival in Antibes teil, wo die Gruppe auf dem ersten Platz landete. Ende 1962 trat er den Flippers bei, einer Jazzformation. Als Sänger erhielt er nach und nach Aufmerksamkeit, besonders für seinen Scat-Gesang, der eines seiner Kennzeichen werden sollte. 1964, im Alter von 21 Jahren, nahm Dalla seine erste Single als Solist auf, sie erwies sich als Reinfall: Das Publikum bedachte ihn mit Pfiffen und bewarf ihn mit Tomaten. Nach diesem Misserfolg holte Dalla sich 1966 eine Musikgruppe aus Bologna als Begleitband dazu und nahm mit ihnen sein erstes Album 1999 auf.
Danach wandte er sich für eine Weile der Beatmusik zu. Auch hier fiel er durch sein nachlässiges Äußeres auf. Überhaupt war Dalla weithin für seine Spleens bekannt.
Piazza Grande, eines der bekanntesten Lieder von Dalla
Auch 1972 ging Dalla in Sanremo ins Rennen, diesmal mit Piazza Grande, einem Lied über einen Obdachlosen. Piazza Grande wurde zusammen mit 4/3/1943 zu einem von Dallas bekanntesten Liedern. Obgleich es mit der Zeit ein Klassiker italienischer Musik wurde, erreichte es in Sanremo nur den achten Platz. Nach dem Lied benannte sich auch die Wohltätigkeitsorganisation Amici di Piazza Grande onlus, in Bologna tätig seit 1993, die sich um die Versorgung von notleidenden Obdachlosen kümmert. Der Liedtext fand sogar 2001 auch Eingang in die Staatliche Abschlussprüfung.
Die Roversi-Periode
Ab 1973 arbeitete Dalla mit dem Bologneser Dichter Roberto Roversi. Diese drei Jahre dauernde Zusammenarbeit ergab drei Alben, die als grundlegend für die Entstehung der canzone d’autore in Italien gelten. Die politischen Inhalte nahmen unter Roversi zu. Dalla gab an, von dem Dichter unzählige Dinge gelernt zu haben. Das erste Album dieser Periode war Il giorno aveva cinque teste von 1973. 1975 folgte das Album Anidride solforosa. Schließlich schrieben und präsentierten Dalla und Roversi 1976 das Theaterstück Il futuro dell’automobile e altre storie. Aus dem Stück ging das nächste Album Automobili hervor.
Die künstlerische Reife und der große Erfolg
1977 beschloss Dalla, selbstständig an seinem nächsten Album zu arbeiten. Schon seine ersten eigenen Liedtexte zeugten von großer Reife. Ergebnis dieser Arbeit war das Album Come è profondo il mare, in dessen Titelsong er Metaphern über Macht und Meinungsfreiheit verarbeitete.
Viele Fans reagierten ungehalten auf das Album, das zu sehr dem Markt angepasst sei, und auch Roversi sprach von „industriellen statt kulturellen Entscheidungen“; im Nachhinein wurde es jedoch als Eckpfeiler in Dallas Schaffen anerkannt, auch im Hinblick auf die Musik.
Schon zwei Jahre später konnte der Cantautore mit seinem selbstbetitelten Album den Erfolg des Vorgängers noch steigern. Es erreichte Platz zwei der Charts und enthielt eine Reihe von späteren Klassikern seines Repertoires: Anna e Marco, L’ultima luna, Stella di mare, oder Cosa sarà (im Duett mit Francesco De Gregori). Den Schluss des Albums bildete das prägende L’anno che verrà, das eine Utopie für das Ende der bleiernen Jahre entwirft.
Noch vor dem Erfolgsalbum Lucio Dalla erschien im Dezember 1978 die Single Ma come fanno i marinai. Das spontan entstandene Lied wurde sehr positiv aufgenommen. Daraufhin starteten die beiden Cantautori die Tournee Banana Republic (namensgebend für das daraus hervorgegangene Livealbum mit denen sie Stadien in ganz Italien füllten.
Lucio Dalla in den 80er-Jahren
Das nächste Album Dalla erschien im September 1980. Mit einem rockigeren Stil gelang Dalla damit erstmals der Sprung an die Spitze der Charts. Besonders hervorzuheben sind Futura, das laut Aussagen des Musikers am Checkpoint Charlie in Berlin entstanden war.[
Ende 1981 beschloss Dallas Begleitband, eine selbstständige Parallelkarriere zu starten, und gab mit der Veröffentlichung einer eigenen Single den Startschuss für die Band Stadio.
Der internationale Erfolg von Caruso
Im März 1986 startete Dalla zusammen mit Stadio eine kurze internationale Tournee, die in den USA endete. Aus diesem Anlass strahlte die Rai eine Sondersendung über das Konzert in Village Gate in New York am 23. März 1986 und Dallas Erfahrungen in den USA aus. Aus diesem Konzert ging das doppelte Livealbum DallAmeriCaruso hervor, das als einziges unveröffentlichtes Lied Caruso enthielt. Dieser Titel über die letzten Tage des Enrico Caruso bescherte dem Cantautore einen außergewöhnlichen Erfolg. Nach der Targa Tenco als bestes Lied des Jahres in Italien verkaufte es sich millionenfach in der ganzen Welt und wurde zu einem Klassiker des italienischen Liedes. Unter den Interpreten der unzähligen Coverversionen finden sich Mercedes Sosa, Céline Dion, Michael Bolton, Lara Fabian, Julio Iglesias, Andrea Bocelli oder Luciano Pavarotti. In einer beim Sanremo-Festival 2008 vorgestellten Liste der im Ausland bekanntesten italienischen Liedern landete Caruso nach Nel blu dipinto di blu von Domenico Modugno auf dem zweiten Platz. Das Lied entstand nach Dallas Aussagen bei einer Reise nach Sorrent, wo er ungeplant im selben Hotelzimmer übernachtete, wie Jahre zuvor der berühmte Tenor. Von den Hotelangestellten hörte er die Geschichte der Liebe zwischen dem schwerkranken Caruso und einer seiner Schülerinnen, was ihn zu dem Lied inspirierte. Aufgrund der neapolitanischen Passagen fühlte sich Dalla zunächst nicht in der Lage, das Lied selbst zu singen.
Die Insel San Domino, auf der Lucio Dalla wohnte
Das neue Jahrtausend wurde durch das Album Luna Matana eingeleitet, das im Oktober 2001 erschien. Aufsehen erregte das Lied Kamikaze (mit Gianluca Grignani an der Gitarre), da es von vielen als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September interpretiert wurde. Der Corriere della Sera mutmaßte in einem Artikel, dass Dallas Plattenfirma die Veröffentlichung des Liedes als Single deshalb verhindert habe. BMG Ricordi verteidigte diese Entscheidung, während Dalla selbst erklärte, dass der Bezug zu den Terroranschlägen gar nicht gegeben sei; vielmehr beziehe sich das Lied auf Kamikaze-Flieger im Zweiten Weltkrieg. Weitere Titel des Albums sind Siciliano, gesungen mit Carmen Consoli, Notte americana und Agnese delle Cocomere. Der Titel des Albums verweist auf die Bucht Cala Matana auf der Insel San Domino (Tremiti), wo Dallas Haus und Studio gelegen sind.
2003 befasste Dalla sich wieder mit Oper und schrieb und inszenierte mit Tosca – Amore disperato eine eigene Version von Giacomo Puccinis Tosca. In Zusammenarbeit mit Mina nahm er dazu das Lied Amore disperato auf. Dieses war auf dem Album Lucio enthalten. Die erste Aufführung des Tosca-Musicals erfolgte am 23. Oktober 2003 in Rom, nach einer ersten Präsentation in der Engelsburg am 27. September.
Die Kompilation 12000 lune erschien 2006 und enthielt drei CDs. Auch die unveröffentlichten Lieder Stella, Sottocasa und Dark Bologna fanden darin Eingang. Noch einmal gelang dem Musiker das Erreichen der Chartspitze. Dalla war in diesem Jahr auch im Buch Complice la musica von Fernanda Pivano vertreten, in dem die Autorin Interviews mit 30 Cantautori verarbeitet.
Erfahrungen als Theaterregisseur
Im Februar 2007 begann Dalla eine Zusammenarbeit mit Marco Tutino, Leiter des Stadttheaters in Bologna, und mit dem Produzenten Gianni Salvioni an einer freien Bearbeitung des Ballets Pulcinella (1920) von Igor Strawinsky, das mit der Oper Arlecchino (1917) von Ferruccio Busoni kombiniert wurde, mit Marco Alemanno als Hauptdarsteller. Dalla beschrieb seine Stückwahl als Gegenreaktion auf den Konsumdruck des Marktes.
Zusammen mit Salvioni arbeitete der Musiker auch an Peter und der Wolf und der DVD zum Livealbum 12000 lune, auf der die Lieder mit einem Streichquartett aufgenommen worden waren. Schon im Juni 2007 ließ er sein nächstes Popalbum Il contrario di me folgen. Das Album erschien auch als Beilage zur Zeitung La Repubblica. Lieder des Albums waren Due dita sotto il cielo (gewidmet dem Motorradrennfahrer Valentino Rossi), das religiös geprägte I.N.R.I., Malinconia d’ottobre und Rimini.
2008 inszenierte Lucio Dalla The Beggar’s Opera von John Gay, wobei er mit Angela Baraldi und Peppe Servillo (Avion Travel) zusammenarbeitete. Das Stück debütierte in Bologna am 29. März des Jahres. Dalla hatte Textänderungen vorgenommen und das Stück aus dem London des 18. Jahrhunderts ins heutige Bologna transportiert. Dem Bologneser Dialekt wird viel Raum gegeben, die Musik ist von Händel und Purcell inspiriert. Die DVD zum Schauspiel wurde wieder von Gianni Salvioni produziert. Als nächste Veröffentlichung erschien das doppelte Livealbum LucioDallaLive – La neve con la luna.
Am 11. Januar 2009 trat Dalla in einer Fernsehsendung zum zehnjährigen Todestag von Fabrizio De André auf und sang zusammen mit dem Schauspieler Marco Alemanno dessen Lied Don Raffaè. Wieder mit Alemanno, nahm er im Sommer am Festival Teatrocanzone zu Ehren Giorgio Gabers teil und interpretierte das Lied Io mi chiamo G. Im Oktober 2009 kündigte Dalla mit der Single Puoi sentirmi? das neue Studioalbum Angoli nel cielo an. Darauf sind auch Questo amore, Gli anni non aspettano und Fiuto (Duett mit Toni Servillo) enthalten.
Die letzten Jahre
Lucio Dalla und Francesco De Gregori live in Padua Anfang 2010 wurde überraschend ein Konzert von Dalla und Francesco De Gregori in Nonantola angekündigt, unter dem Namen Work in progress. Diesem Auftritt folgte eine kurze Tournee. Es war erst ihre zweite gemeinsame Tournee seit Banana Republic vor 30 Jahren; dazwischen hatten sie lediglich einen größeren gemeinsamen Auftritt beim Neujahrskonzert in Assisi, das die Rai 1998 ausstrahlte. Dalla hatte schon länger ein neues Projekt mit De Gregori öffentlich erwogen und am 24. Juni 2009 war De Gregori überraschend als Gast bei einem Dalla-Konzert aufgetreten.
Im Gegensatz zu der früheren Tournee fanden die Konzerte nicht mehr in Stadien, sondern zumeist auf öffentlichen Plätzen statt. Die ausgedehnte Tournee umfasste auch einen großen Auftritt beim traditionellen Concerto del Primo Maggio (2011). Aus dieser neuen Zusammenarbeit ging das doppelte Livealbum Work in Progress hervor, mit den drei unveröffentlichten Liedern Non basta saper cantare, Gran turismo und Gigolò. Um deutlich zu machen, dass es sich nicht lediglich um einen Neuauflage der alten Tournee, sondern um etwas Neues handelte, verzichteten Dalla und De Gregori auf ihren alten Hit Ma come fanno i marinai. Der letzte gemeinsame Auftritt der beiden und Schlusspunkt der Tournee war am 20. Mai 2011 in Saint Vincent.
Die letzte Veröffentlichung und die Rückkehr nach Sanremo
Zwei Jahre nach dem letzten Album veröffentlichte Dalla im November 2011 die Kompilation Questo è amore. Das Doppelalbum enthält Liebeslieder aus den Jahren 1971 bis 2009, dazu die neue Single Anche se il tempo passa (Amore) sowie eine Neufassung von Meri Luis (im Duett mit Marco Mengoni).
Ende Januar 2012 erstellte das Magazin Rolling Stone die Liste der 100 schönsten italienischen Alben aller Zeiten, worauf Dalla auf Platz 40 mit Lucio Dalla von 1979 vertreten ist. Am 14. Februar des Jahres kehrte Dalla nach 40 Jahren auf die Bühne des Sanremo-Festivals zurück, an der Seite von Pierdavide Carone und mit dem Lied Nanì. Er betätigte sich gleichzeitig als Sänger und Dirigent des Festivalorchesters. Das Lied landete im Finale am 18. Februar auf dem fünften Platz; dabei hatte Dalla seinen letzten Fernsehauftritt. Am 27. Februar 2012 startete er von Luzern aus seine neue Europatournee, die ihn zunächst nach Zürich und am 29. Februar nach Montreux führte, wo er sein letztes Konzert gab.
Der plötzliche Tod Dallas
Lucio Dalla starb am 1. März 2012 im Alter von 68 Jahren in seinem Hotelzimmer in Montreux nach einem Herzinfarkt. Sein Partner Marco Alemanno fand ihn tot im Bett auf.
Studioalben
1966 1999
1970 Terra di Gaibola
1971 Storie di casa mia
1973 Il giorno aveva cinque teste
1975 Anidride solforosa
1976 Automobili
1977 Come è profondo il mare
1979 Lucio Dalla
1980 Dalla
1981 Lucio Dalla / Q-disc
1983 1983
1984 Viaggi organizzati
1986 Bugie
1988 Dalla/Morandi mit Gianni Morandi
1989 Dalla/Morandi in Europa mit Gianni Morandi
1990 Cambio
1993 Henna
1996 Canzoni
1999 Ciao
2001 Luna Matana
2003 Lucio
2007 Il contrario di me
2009 Angoli nel cielo
2020 Lucio Dalla 40th Legacy Edition
Hier auf Vinyl erhältlich: https://www.amazon.de/Lucio-Dalla-Anniv-Remastered-Illustrated/dp/B07MWR2GSK