Im Fernsehen wirkt sie gigantisch; fast schon majestätisch. Hier fanden schon Bond-Premieren, Matineen, Abendvorstellungen, Pop-Konzerte, Lesungen, Suffragetten-Treffen und Boxkämpfe statt. Die meisten Besucher vor Ort und die Fernsehzuschauer in aller Welt kennen die Royal Albert Hall vor allem als Austragungsort der Proms, der jeweils zweimonatigen sommerlichen Konzertreihe in London.
Die Royal Albert Hall in London bietet bis zu 6.000 Menschen Platz und wurde bis vor der Pandemie pro Jahr mit bis zu 400 Veranstaltungen genutzt. In der Corona-Pandemie musste sie schließen – wie letztmals im Zweiten Weltkrieg. Mehr als 400 Veranstaltungen wurden abgesagt, der Einnahmeverlust beträgt laut der Stiftung Royal Albert Hall Trust über 34 Millionen Pfund. Immerhin herrschte auch während der Schliessungszeit keine Ruhe in der Halle. Derzeit entsteht nämlich unter dem Gebäude ein zweistöckiges Basement, das unter anderem den Platz im Hinterbühnenbereich erweitern soll.
Auf der eigenen Website wirbt Mick Jagger für die Wiederkehr der Besucher mit einem Videoclip, der Höhepunkte der vergangenen Jahrzehnte zeigt. Dazu zitiert Sir Mick aus einem Gedicht von Wystan H. Auden mit dem Titel „For Friends Only“.
Im ersten Jahr nach der Eröffnung fanden nur 36 Veranstaltungen statt. Dennoch kristallisierte sie sich als ein Ort heraus, an dem alles stattfinden – und passieren kann.
Geschichten rund um die Royal Albert Hall von Bond bis Zappa
An dem gewaltigen Bau am Rand des Hyde-Parks sah man Premieren von Bond-Filmen. Alfred Hitchcock drehte hier die Konzert-Szenen der beiden Filmversionen von „Der Mann, der zu viel wusste“ aus den Jahren 1934 und 1956. Hier traten viele Weltstars wie Bob Dylan und Jimi Hendrix auf. Heinrich Gudehus sang 1884 in einer Aufführung des Parsifal die Titelrolle, da eine Bühnenaufführung des Werks durch das Verbot von Bayreuth nicht zu realisieren war. Es war die erste Aufführung des Parsifal in England überhaupt.
Eric Clapton verzeichnet mit über 200 Konzerten mit Abstand die meisten Auftritte in der Royal Albert Hall. Für sein 1991 erschienenes Album 24 Nights absolvierte er zwischen dem 5. Februar 1991 und 9. März 1991 schon 24 Auftritte.
Frank Zappas Mothers of Invention hatten 1967 einen Auftritt in der Royal Albert Hall, einen Ausschnitt davon gibt es auf dem Album Uncle Meat. Don Preston spielt Louie Louie auf The Mighty & Majestic Albert Hall Pipe Organ.
Pink Floyd erhielt Hausverbot
Pink Floyd spielten 1968. Damals feuerten sie während des Liedes A Saucerful of Secrets zwei Kanonen ab. Daraufhin bekamen sie lebenslang Hausverbot. Jedoch durfte David Gilmour (Leadsänger und Gitarrist der Gruppe) 2006 auf seiner On-an-Island-Tournee wieder in der Royal Albert Hall spielen.
Die Beatles benutzen die Größe der Royal Albert Hall in ihrem Lied A Day in the Life als Vergleich zu 4000 Löchern in Lancashire: „Now they know how many holes it takes to fill the Albert Hall“.
1968 fand der 13. Eurovision Song Contest statt, der zum ersten Mal in Farbe ausgestrahlt wurde. Cream gab am 26. November 1968 das legendäre letzte Konzert in der Londoner Royal Albert Hall. Am 24. September 1969 wurde das Concerto For Group And Orchestra von Jon Lord zusammen mit der Band Deep Purple und dem Royal Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Sir Malcolm Arnold uraufgeführt. Nachdem die zwischenzeitlich verloren gegangene Partitur dieses Werkes maßgeblich von dem holländischen Komponisten Marco de Goeij rekonstruiert worden war, gelang 30 Jahre später, am 25. und 26. September 1999 die Wiederaufführung in der Royal Albert Hall, diesmal mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Paul Mann. James Last hat 90 Konzerte gegeben. Die Cream-Reunion nahm hier am 2. Mai 2005 mit insgesamt vier Konzerten ihren Anfang. Don Preston von Frank Zappas Band Mothers of Invention traktierte 1967 die „mighty and majestic“ Orgel mit ihren 9999 Pfeifen, die bei der Eröffnung der Royal Albert Hall als größte ihrer Art galt. Jimmy Page von Led Zeppelin adelte den Ort sogar zum „Heiligen Gral für Musiker“. Am 10. Oktober 2001 gab Robbie Williams sein Konzert „Live at the Albert in der Royal Albert Hall“.
Die erste Messe für Science-Fiction-Fans 1891
Die Royal Albert Hall war auch der Ort der ersten Messe für Science-Fiction-Fans. Im März 1891 wurde das Gebäude im Stil der unterirdischen Stadt des Romans „Vril: The Power of the Coming Race“ von Edward Bulwer-Lytton dekoriert, und viele Besucher erschienen auf dem „Vril-Bazaar“ als geflügelte Wesen aus der im Buch beschriebenen Fantasiewelt. Offenbar waren die angeblich so zugeknöpften Viktorianer weit exzentrischer als ihr Ruf.
Die Eröffnung vor 150 Jahren
Der riesige Kuppelbau ist bis heute eines der bekanntesten Bauwerke Londons und gehört zur Stadt wie die Tower Bridge und der Buckingham Palace. Die Royal Albert Hall, deren Außenmauer ein aufwendiger Fries aus Mosaiken ziert, entstand in Anlehnung an ein römisches Amphitheater. Entworfen wurde das Gebäude von zwei Männern, deren Stärke im Ingenieurwesen lag: Francis Fowke und Henry Young Darracott Scott.
Bei der Planung des Gebäudes ging es allerdings weniger um seine gelegentlich umstrittene architektonische Schönheit als um seine Funktionalität. Sie hat sich im Lauf seiner fast pausenlosen Nutzung über 150 Jahre hinweg bewährt, auch deshalb, weil die vielen übereinander gestaffelten Balkone den Zuschauern trotz der Größe der Halle ermöglichen, dem Geschehen auch auf den billigen Plätzen vergleichsweise nah zu sein.
Die Royal Albert Hall war auf Anregung des Gatten von Königin Victoria entstanden. Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha starb 1861, die Grundsteinlegung 1867 erfolgte in Gegenwart seiner immer noch in Schwarz gekleideten Witwe.
Als die Königin die Royal Albert Hall 1871 eröffnete, sei ihre Stimme klar im ganzen Gebäude zu vernehmen gewesen, berichtete man.
Queen Victoria hatte regen Anteil an der Entstehung des Gebäudes genommen und sogar mehrere akustische Proben besucht. „Eine Dame sang, ein Violinist spielte, sie prüften die Klangwirkung, die erstaunlich gut war. Es ist wirklich ein herrliches Gebäude, und ich hoffe und glaube, dass es sich auszahlen wird“, notierte die Königin stolz in ihrem Tagebuch. In Wahrheit verursachte die Akustik von Anfang an Probleme, und die Arbeit an ihrer Verbesserung blieb ein ewiges „work in progress“. Das berüchtigte Echo in der Halle war durch ihre Form und ihre schiere Größe von 7000 Quadratmetern bei einer Höhe von rund 40 Metern bedingt.
Eine weitere ungebrochene Tradition: Beim „Halleluja“ stehen alle im Saal auf. Nicht etwa aus purer Ehrfurcht und Ergriffenheit (das manchmal auch), sondern weil King George II., der das Oratorium in der Mitte des 18. Jahrhunderts in London hörte, sich an dieser Stelle begeistert erhoben hatte, was alle anderen Anwesenden der Etikette halber dazu veranlasste, es ihm gleichzutun. So zumindest die Legende.