Al Jarreau – sein Aufstieg vom Sozialarbeiter zu einem der größten des Jazz

Al Jarreau (Alwyn Lopez Jarreau) kam in einer kinderreichen Familie am 12. März 1940 in Milwaukee, Wisconsin zur Welt. Die Familie war sehr arm und zeichnete sich durch eine große Musikalität aus; bereits mit vier Jahren sang er sein erstes Solo in der Kirche. Schon als Kind entdeckte Al Jarreau durch seine Brüder die Improvisation, als er mit ihnen zu Hause sang.

Als Jugendlicher begann Jarreau bereits in den örtlichen Bars aufzutreten. Eines Tages lernte er den ungarischen Jazzpianisten Laszlo Les Czimber kennen, der ihm beibrachte wie man Lieder ausarbeitet. Von 1958 bis 1962 studierte Jarreau am Ripon College in Wisconsin Psychologie und schloss das Studium mit dem Bachelor of Arts ab. Mit der Gruppe „The Indigos“ trat er während seines Studiums an den Wochenenden lokal auf. Danach absolvierte er an der University of Iowa einen Masterstudiengang (Master’s Degree in Vocational Rehabilitation). Der Weg führte Jarreau 1964 nach sechs Monaten Dienstzeit in der Armeereserve nach San Francisco.

Dort führte er eine Art Doppelleben: Dreimal pro Woche trat er abends in einem Club mit einem Trio auf, das von dem damals noch unbekannten George Duke geleitet wurde. Tagsüber arbeitete er als Rehabilitationshelfer im „California Division and Rehabilitation Center“, wo er Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen bei der Eingliederung ins Arbeitsleben half. 1965 sang er als Student an Wochenenden unter anderem mit dem „Joe Abodeely Trio“ im „The Tender Trap“, einem Club in Cedar Rapids. Der Saxophonist J. R. Monterose brachte ihm bei, Saxophonlinien zu singen oder zu scatten. Ein Liveauftritt wurde mitgeschnitten und erschien 1965 als Platte unter dem Titel „1965 – Al Jarreau“ (auch unter „The Masquerade Is Over“ oder „J. R. Monterose – Live at the Tender Trap“); das Album enthält so bekannte Standards wie „Sophisticated Lady“, „My Favourite Things“, „Come Rain or Shine“ und „One Note Samba“.

1968 lernte Jarreau den brasilianischen Gitarristen Julio Martinez kennen, mit dem er als Duo im Gatsby’s in Sausalito auftrat. In dieser Zeit entdeckte er auch seine Liebe zum Bossa Nova und entwickelte seinen charakteristischen, instrumental inspirierten Gesangsstil. Die Tätigkeit als Sozialarbeiter bezeichnete er zwar als seinen Traumberuf, weil er schon immer anderen Menschen in irgendeiner Weise helfen wollte. 1969 entschied er sich jedoch ganz für die Musik und kündigte seine Arbeitsstelle, da die Doppelbelastung auf Dauer zu anstrengend war.

1975 trat Al Jarreau im Vorprogramm des Jazzpianisten Les McCann im Troubadour Club in Hollywood auf. Im Bla Bla Cafe wurde er von einem Talentscout der Warner Music Group entdeckt und er unterschrieb seinen ersten Plattenvertrag. Kurz darauf erschien seine erste Platte bei Warner, „We Got By“. Er war damals immerhin bereits 35 Jahre alt. Von Hamburg aus startete er schließlich seine internationale Karriere, er trat hier sechs Monate in verschiedenen Clubs auf. Das Album „Glow“ aufgenommen 1976 war sein zweites Album. 1977 wurden Ausschnitte von der Europatournee auch auf die Platte „Look to the Rainbow“ gepresst. Hier machte ihn vor allem die Live-Version von Dave Brubecks Klassiker „Take Five“ mit einem Schlag bekannt. Er erhielt sogar den deutschen Schallplattenpreis für Nachwuchskünstler. Schließlich wurde er auch in den USA immer beliebter und bekannter. Im selben Jahr erhielt er dort den Grammy als „Best Jazz Vocal“. 1978 gewann er für „All Fly Home“ einen zweiten Grammy wieder in der Rubrik „Best Jazz Vocal“. 1980 erschien „This Time“. 1981 folgte „Breakin’ Away“ mit dem halsbrecherischen Lied „(Round, Round, Round) Blue Rondo à la Turk“ von Dave Brubeck, das ihm seinen dritten Grammy für die „Best Jazz Vocal Performance, Male“ und den vierten für die „Best Male Pop Vocal Performance“ einbrachte. 1983 und 1984 erschienen seine Alben „Jarreau“ und „High Crime“. 1985 wurde „Live in London“ im Wembley-Stadion in London vor Publikum live aufgenommen. Außerdem sang er bei dem von Quincy Jones produzierten Welthit „We Are the World“ mit vielen anderen bekannten Künstlern für das Projekt „USA for Africa der Afrika“ der Welthungerhilfe mit.

1986 brachte Jarreau „L Is for Lover“ heraus. 1987 intonierte Jarreau die Titelmelodie für die amerikanische Fernsehserie „Das Model und der Schnüffler“ mit Cybill Shepherd und Bruce Willis in den Hauptrollen und schrieb selbst den Text zur Musik von Lee Holdridge. 1988 folgte die LP „Heart’s Horizon“. 1992 folgte für Jarreau der fünfte Grammy für sein Album „Heaven and Earth“ für die „Best Male R&B Vocal Performance“. 1994 wurde „Tenderness“ auf einer kleinen Bühne in Los Angeles vor knapp 250 Zuschauern live eingespielt, produziert von Marcus Miller. 1996 folgte erstmal eine Tourpause, in der er drei Monate am Broadway in New York im Musical „Grease“ die Rolle des Teen Angel spielte. Auch TV-Gastauftritte folgten in den amerikanischen Serien „New York Undercover“ und „Ein Hauch von Himmel“.

In den folgenden Jahren kam es zu keinen weiteren Veröffentlichungen, da Jarreau sich von seiner langjährigen Plattenfirma (Warner Brothers) trennte und zu Verve wechselte. Er tourte weiter rund um den Globus. 2000 folgte endlich wieder ein Album „Tomorrow Today“, 2002 erschien „All I Got“ und mit „Accentuate the Positive“ von 2004 löste Jarreau das langjährige Versprechen ein, endlich ein Jazzalbum herauszubringen, das er mit einem Trio einspielte. 2006 veröffentlichte Jarreau mit „Givin’ It Up“ ein ganzes Album mit dem Jazz-Gitarristen und -Sänger George Benson. Im Jahr 2007 gewann er seinen sechsten und letzten Grammy für das Stück aus dem Album „God Bless the Child“ in der Kategorie „Best Traditional R&B Vocal Performance“.

Jarraeu hatte mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und sagte Ende Januar 2017 wegen Schwäche und Kurzatmigkeit eine geplante Jazz-Kreuzfahrt ab und musste ärztlich behandelt werden. Vom Krankenhaus aus ließ er am 8. Februar 2017 über seine Website erklären, dass er seine Live-Karriere beenden müsse.Vier Tage später am 12. Februar 2017 starb er dort im Kreise seiner Familie. Bereits 2010 war der damals 70-jährige wegen lebensgefährlicher Atemprobleme intensivmedizinisch versorgt worden.

Joachim-Ernst Berendt beschreibt Jarreaus Stimme wie folgt:

Jarreau – singend, gurgelnd, mit der Zunge schnalzend, stöhnend, schreiend, flatternd, flüsternd, seufzend, knatternd – verfügt über ein Arsenal stimmlicher Möglichkeiten, das mit dem keines anderen männlichen Sängers vergleichbar ist. Jarreau ist ein Instrumentalist der Stimme, seine Musik kommt von instrumentalen Phrasen her. Seine Kehle bringt wirklich ein ganzes Orchester hervor: Schlagzeuge und Saxophone, Trompeten und Flöten, Congas und Bässe – aber das alles aus dem Mund eines einzigen Mannes, vom tiefsten Bass zum höchsten Flageolett, als ob dieser Mann über ein Dutzend oder mehr verschiedener männlicher oder weiblicher Stimmen verfüge. Am frappantesten ist Al Jarreaus Flötenstimme.“

(Joachim-Ernst Berendt: Das Ritual aus der Kehle. In: Jazz Forum. Nr. 49, 5/1977, S. 35.)