Rio Gitarren – eine Schweizer Erfolgsgeschichte

Zu einer Zeit als für die Gründung einer Einzelfirma noch kein Gesetz zur Eintragung ins Handelsregister gab, begann 1945 im Kanton Basel die Erfolgsgeschichte von Karl Schneider. Wie es zu dem Namen RIO gekommen ist kann man heute nicht mehr genau nachvollziehen. Vermutet wird aber das der Name für das Holz ausschlaggebend war. Damals war das tropische Edelholz unter den Namen „Rio Palisander“ oder „Rio Jacaranda“ bekannt. Die ersten Gitarren entstanden in einem kleinen Atelier. Bereits Ende des Jahres 1945 zieht Schneider in ein neues Haus um, das Platz für die Werkstatt und einen Maschinenraum bietet. Das Firmen-Symbol enthält damals noch einen Geigenkopf. Das Geschäft läuft sehr gut, obwohl in den Nachkriegsjahren Musikinstrumente mit einer Luxussteuer belastet waren. Schneider beliefert mittlerweile die ganze Schweiz. Schon 1947 muss ein erster Gitarrenbauer eingestellt werden. Dies ist nicht einfach, weil der Beruf des Gitarrenbauers in der Schweiz als Lehrberuf gar nicht existiert. Nach administrativen Schwierigkeiten gelingt es 1947 den Gitarrenbauer, Horst Kramer, aus Mittenwald in Deutschland einzustellen.

Nach 2 Jahren hat die Firma im neuen Haus schon wieder Raumprobleme. In einem Wohn- und Geschäftshaus an der Rössligasse, im Dorfzentrum von Riehen wird deshalb ein Ladengeschäft mit einer Werkstatt dazu gemietet, der nun zum neuen Firmensitz wird. Im neuen Ladengeschäft sind nun auch Direktverkäufe von Instrumenten und anderen Musikprodukten möglich.

Der Neuunternehmer will die Chancen auf dem aufstrebenden Nachkriegsmarkt in der Schweiz nutzen. Deshalb stellt er seine neuen Produkte unter dem Markenname RIO-Gitarren in der damals für die Schweizer Wirtschaft sehr wichtigen Basler Mustermesse (MUBA) aus. Der RIO-Stand an der Messe wird zu einer Sensation für das Publikum.

Der Markt für Gitarren entwickelt sich in den 50er-Jahren rasant. Mit den E-Hawaii-Gitarren führt die Firma ein Erfolgsprodukt, das dem aus den USA importierten Trend in der Musikbranche entspricht. Daneben finden die E-Jazzgitarren und die klassischen spanischen Gitarren guten Absatz. Die Qualität der verwendeten Hölzer ist bei der Produktion gut klingender Instrumente entscheidend. Deshalb ist Karl Schneider ständig auf der Suche nach den am besten geeigneten Klanghölzern. In den Wäldern von Tinizong (Kanton Graubünden) findet er das Geheimnis. Hier, an den Nordhängen des Oberhalbsteins wachsen besondere Fichten. Die Stämme werden vor Ort einzeln ausgewählt und dann in ein Furnierwerk in Rheinfelden gebracht und vorverarbeitet.

Vieles wird selber entwickelt und hergestellt. So werden etwa die Plexiglasabdeckungen der Tonabnehmer im Backofen aufgeheizt und dann in einer Form selber gepresst. Für die Produktion der mechanischen und elektronischen Teile, welche exakt nach den Plänen des Firmenchefs hergestellt werden müssen, hat die Firma verschiedene Zulieferer aus der nahen Umgebung.

Bild (e-expo Karl Schneider / RIO-Gitarren: Erste E-Gitarren in Europa: E-Gitarren 08)

Marie Schneider, die Ehefrau des Chefs arbeitet im Geschäft mit. Sie fertigt die Brandmalereien auf den Decken der Hawaii-Gitarren an und poliert die fertigen Instrumente auf Hochglanz. Zudem betreut sie die Kundenkontakte und ist Ansprechperson am Telefon. Der Schwiegersohn Jean-Pierre Vocat findet Interesse am Gitarrenbau, lässt sich ausbilden und tritt 1960 als Mitarbeiter in die Firma ein. Während der Hochkonjunktur der 60er-Jahren nimmt die Nachfrage nach Musikinstrumenten mit steigendem Wohlstand immer weiter zu. Mit der Teuerung steigen aber auch die Personalkosten. Mit dem Einsatz von Maschinen versucht Karl Schneider, seine Instrumente in grösseren Serien immer rationeller herzustellen, um damit den Preis so tief wie möglich zu halten. Aus Japan und Deutschland kommen immer mehr Billigprodukte auf den Markt, was zu Preisdruck führt. Die Musikhändler erzeugen mit höheren Margen ihrerseits weiteren Druck. Dank enger Zusammenarbeit mit den landesweit tätigen Musikhäusern Hug  ᅳ  für welche eigene Hug-Modelle gebaut weden  ᅳ  gelingt es die Firma sich weiter über Wasser zu halten.

In der Folge der Erdölkrise 1973 ist ein Anstieg der Rohstoffpreise zu verzeichnen, was auch die Hölzer und die Rohmaterialien für den Instrumentenbau betrifft. Nachdem immer mehr Massenprodukte aus Deutschland und Japan auf den Markt kommen, wird es immer schwieriger, zu konkurrenzfähigen Preisen zu produzieren. Der Absatz bricht ein. Karl Schneider  ᅳ  mit 70 längst im Pensionsalter  ᅳ  beschliesst, sich aus der Firma zurück zu ziehen und im Dachstock seines Hauses wieder Geigen zu bauen. Mit der Unterstützung seiner Frau, Elsbeth, führt Jean-Pierre Vocat den Betrieb unter eigenem Namen mit beschränktem wirtschaftlichem Erfolg noch bis 1981 weiter.

Mit RIO Gitarren spielten u.a.:

Marcel Bianchi, Pierre Cavalli, Sarane Ferret, Django Reinhardt, Paul Piguillem, Jack Erhard, Hula Hawaiians, Clown Dimitri und Thomas Moeckel.

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