Zum Todestag der „Signora della canzone italiana“ am 21.11.2025
Als am 21. November 2025 die Nachricht aus Mailand kommt, ist es, als würde für einen Moment die Musik in ganz Italien verstummen: Ornella Vanoni ist im Alter von 91 Jahren in ihrem Zuhause an einem Herzstillstand gestorben.Wikipedia+1 Eine Ära geht zu Ende – die Ära einer Frau, die mit ihrer warmen, rauchigen Stimme drei Generationen italienischer Musikgeschichte geprägt hat.
Von der Bühne des Piccolo Teatro zur „Signora della canzone italiana“
Ornella Vanoni stammt aus Mailand, Jahrgang 1934. Ihre ersten Schritte macht sie nicht als Sängerin, sondern als Schauspielerin am legendären Piccolo Teatro unter Regisseur Giorgio Strehler. Dort lernt sie Timing, Präsenz und die Kunst, mit einer einzigen Geste einen ganzen Saal zu fesseln – Fähigkeiten, die später zu ihrem Markenzeichen als Bühnenkünstlerin werden.Reuters
In den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren wechselt sie endgültig ins Fach Musik. Mit ihren „canzoni della mala“, Liedern über die Halbwelt und das nächtliche Mailand, schreibt sie sich in das kulturelle Gedächtnis ihres Landes ein. Bald folgen Auftritte bei den großen italienischen Festivals, allen voran Sanremo, wo sie immer wieder für emotionale Höhepunkte sorgt.Wikipedia+1
Ihre Karriere spannt sich über fast sieben Jahrzehnte: vom Schwarzweiß-Fernsehen der 60er über die Vinyl-Ära, HiFi-Goldzeiten, CD-Boom und Streaming-Ära. Mehr als 100 Veröffentlichungen, zig Millionen verkaufte Tonträger – Ornella Vanoni bleibt über Generationen hinweg präsent.AP News+1

„L’appuntamento“ – Ein Song, der um die Welt ging
Für Musikliebhaber und Cineasten auf der ganzen Welt ist ihr Name untrennbar mit einem Song verbunden: „L’appuntamento“. Ursprünglich basiert das Lied auf dem brasilianischen Stück Sentado à beira do caminho von Roberto und Erasmo Carlos, bekam aber mit dem italienischen Text von Bruno Lauzi und Ornellas Interpretation ein eigenes, unverwechselbares Leben.Wikipedia
1970 erscheint „L’appuntamento“ als Single und wird in Italien zum Klassiker – eine Hymne über das Warten, die Sehnsucht und diese Mischung aus Hoffnung und Resignation, die nur Vanonis Stimme so glaubhaft transportieren kann.Wikipedia
2004 entdeckt Hollywood die Magie dieses Stücks neu: Steven Soderbergh nutzt „L’appuntamento“ als zentrale Klangfarbe im Film „Ocean’s Twelve“. In einer Schlüsselszene legt sich Vanonis Stimme wie ein nostalgischer Schleier über die Bilder – und plötzlich hören Millionen Menschen weltweit diesen Song, viele zum allerersten Mal.YouTube+1
Für die HiFi-Community ist „L’appuntamento“ ein perfekter Referenz-Track:
- Die warme, leicht rauchige Stimme im Mitteltonbereich.
- Die arrangierten Streicher und der sanfte Groove, die sich perfekt zur Beurteilung von Räumlichkeit und Klangfarben eignen.
- Diese typische, leicht melancholische 70er-Jahre-Ästhetik, die auf gut gemasterten Vinyl- oder hochwertigen Reissues erst richtig aufblüht.
Wer ihre Kunst verstehen will, legt am besten eine gute Pressung von Appuntamento con Ornella Vanoni auf oder streamt eine hochaufgelöste Version – und dreht langsam etwas lauter.

Mehr als Musik: Schauspielerin, Stil-Ikone, Storytellerin
Ornella Vanoni war nicht nur Sängerin, sondern eine echte Bühnenpersönlichkeit. Bereits in den 1960er-Jahren stand sie in Musicals wie „Rugantino“ auf der Bühne, spielte in Film- und TV-Produktionen und verschmolz Schauspiel und Gesang zu einer eigenen Form der Performance.Wikipedia
Ihre Auftritte waren immer ein bisschen Theater:
- die roten Haare als visuelles Markenzeichen,
- der ironische Blick,
- ihre oft gnadenlos ehrlichen Moderationen zwischen den Songs.
Vanoni war eine der ersten italienischen Künstlerinnen, die sehr offen über Liebe, Lust, Schmerz, Alter und Selbstzweifel sprach – in Songs, Interviews und auf der Bühne. Das machte sie für viele zur „Grande Dame“, die nicht nur singt, sondern erzählt.
Eine Karriere über drei Generationen
Was Ornella Vanoni so einzigartig macht: Sie war für jede Generation Italiens etwas anderes – und doch immer dieselbe Stimme.
- Für die Großeltern: die junge Sängerin der 60er, die „Senza fine“ und die „canzoni della mala“ singt.AP News+1
- Für die Eltern: die Künstlerin der 70er und 80er, die mit Liedern wie „Domani è un altro giorno“, „Uomo, uomo“ und ihren brasilianisch inspirierten Alben den Soundtrack zu Umbrüchen, Emanzipation und neuen Lebensentwürfen liefert.Welt
- Für die jüngeren Generationen: die Vanoni der Duette, Neuauflagen und TV-Auftritte, die mit jüngeren Künstlern arbeitet und noch zu ihrem 90. Geburtstag mit einem Billboard über dem Times Square gefeiert wird.Puls24
Dass Milan anlässlich ihrer Beerdigung Trauerbeflaggung und einen offiziellen Trauertag ausruft, zeigt, welchen Stellenwert sie im kulturellen Gedächtnis des Landes hatte.Comune di Milano+1 Ganz Italien trauert – von der RAI-Zuschauerin, die mit ihr aufgewachsen ist, bis zur jungen Singer-Songwriterin, die sich von ihrer Ehrlichkeit inspirieren lässt.
Klang-Erbe für mySoundbook-Hörer:innen
Für eine Plattform wie mySoundbook, auf der Bühne, Musikgeschichte und Klangkultur zusammenkommen, ist Ornella Vanoni ein Geschenk:
- Ihre Aufnahmen der 60er und 70er sind ein Schatz für Vinyl-Sammler:innen – viele Originalpressungen klingen erstaunlich lebendig und direkt.
- Die späteren Remasters und Live-Mitschnitte bieten spannende Vergleiche in Sachen Mastering, Dynamik und Raumabbildung.
- Ihre Zusammenarbeit mit Jazz- und Bossa-Nova-Musikern lädt dazu ein, Klangketten von Lautsprecher bis Kopfhörer feinfühlig abzustimmen.AP News+1
Wer Ornella Vanoni entdecken oder neu erleben möchte, kann sich eine persönliche kleine „Stage-Session“ zusammenstellen – ideal für einen Abend auf dem Sofa vor der eigenen Anlage:
- „Senza fine“ – als Einstieg in ihre frühen, fast zeitlosen Balladen.AP News+1
- „L’appuntamento“ – in einer möglichst hochwertigen Version, gerne im Vergleich: LP vs. Stream.Wikipedia+1
- Ein Live-Mitschnitt aus den 70ern oder 80ern – um die ganze Bühnenpräsenz zu spüren.
- Eine ihrer späten Kollaborationen mit jüngeren Künstlern – als Beweis, dass ihre Stimme bis ins hohe Alter nichts von ihrer Ausdruckskraft verloren hat.Puls24

Ein letzter Vorhang
Ornella Vanoni hat ihre Karriere einst im Theater begonnen – passend, dass sich ihr Leben nun wie ein letzter großer Vorhangschluss anfühlt. Doch wie es in einem ihrer berühmten Songs heißt: „Senza fine“ – ohne Ende.
Ihre Stimme bleibt: auf unseren Platten, in unseren Playlists, in Filmszenen, die wir nie vergessen.
Und vielleicht ist es die schönste Art, ihrer zu gedenken, wenn wir am 21. November die Anlage einschalten, „L’appuntamento“ starten – und sie noch einmal die Bühne bekommen, die sie verdient.


