„Kind of blue“ von Miles Davis – das kommerziell erfolgreichste Jazz-Album

Es gilt als Meilenstein in der Geschichte des Jazz; Kind of blue von Miles Davis. Es wurde am 2. März und am 22. April 1959 im CBS 30th Street Studio in New York City aufgenommen und erschien 1959 auf Columbia Records. Die deutschsprachige Ausgabe der Musikzeitschrift Rolling Stone wählte Kind of Blue 2013 in der Auswahl der 100 besten Jazz-Alben auf Platz 2. Einen legendären Ruf genießt es auch wegen der brillanten Aufnahmetechnik des aus München stammenden Toningenieurs Fred Plaut. Kind of Blue war eine der ersten kommerziell vertriebenen Stereo-LPs, deren Klang durch seine Räumlichkeit und Klarheit bis heute gültige Maßstäbe setzte.

Die Aufnahmen zu Kind of blue fanden an zwei Tagen im legendären CBS 30th Street Studio statt, das sich in einer ehemaligen Kirche befand. Davis’ Bandkollegen erhielten den Tariflohn für Sessionmusiker, der damals für eine dreistündige Session gerade mal 48,50 US-Dollar betrug. Allerdings forderten Chambers, Adderley und Coltrane zusätzlich 100 Dollar, die sie auch erhielten.
Entgegen anderslautenden Legenden ist auf dem Album kein einziger „First Take“ (dt.: erste Aufnahme, die man gleich verwenden kann) im eigentlichen Sinn zu hören. Zwar sind – von Flamenco Sketches abgesehen – alle Stücke nur einmal vollständig durchgespielt worden; für jeden Titel wurden aber mehrere Anläufe gebraucht, die von den Künstlern aus verschiedenen Gründen (technische Störgeräusche, schlecht gespielt) abgebrochen wurden. Grundprinzip der Platte war aber, dass alle Stücke in gemäßigtem Tempo interpretiert wurden und die Band die Kompositionen erst im Studio zu sehen bekam, so dass kein Musiker auf Routinen zurückgreifen konnte.

Erste Session am 02. März 1959
Als erstes wurde Freddie Freeloader eingespielt. Da es 1959 noch nicht möglich war, Aufnahmen hinterher abzumischen und die Aufstellung der Musiker und ihrer Mikrofone für ihr Lautstärkeverhältnis entscheidend war, ist Chambers’ Bass-Solo bei diesem Stück sehr leise. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hatte keines der Stücke einen Titel. Freddie Freeloader wurde nach einem Barkeeper im „Nightlife“ in Philadelphia benannt, der als schillernde Person beschrieben wird und sich durch Zugestecktes über Wasser hielt (daher auch dessen Spitzname „Freddie the Freeloader“ – Freddie der Schmarotzer).

Als nächstes wurde So What aufgenommen. Der Titel war einer von Davis’ Lieblingsausdrücken und bedeutet so viel wie „Na und“. Das Stück ist das bekannteste und am häufigsten nachgespielte Stück des Albums. Es dauerte ein paar Anläufe, bis Bill Evans, der jetzt das Piano übernommen hatte, und Paul Chambers das Intro gut zusammen spielten. Außerdem spielte der Bass die Melodie, was zu dieser Zeit sehr selten vorkam.

Danach nahm die Gruppe Blue in Green auf. Nach vier Takten Einleitung hat das Stück eine zehntaktige Form – zu dieser Zeit unüblich kurz. Bei diesem Titel setzte Cannonball Adderley aus, vielleicht weil sein überschäumender Stil der schwermütigen Stimmung des Stückes entgegengewirkt hätte.
Eigentlich hatte Miles Davis mehr als die drei Stücke aufnehmen wollen, doch die gebuchte Zeit von 14:30 Uhr bis 17:30 Uhr und 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr war vorbei und – so ungewöhnlich es heute scheint – das Studio war danach noch für das Jimmy Dorsey Orchestra gebucht. Also wurde für den 22. April eine zweite Session verabredet.

Während der kompletten Aufnahme war die Masterbandmaschine wegen eines Motorproblems geringfügig langsamer gelaufen, was dazu führte, dass beim Abspielen die Musik um etwa einen Viertelton nach oben transponiert wurde. Erst 1992 wurde das Problem entdeckt und mit Hilfe der Sicherheitskopie behoben, die im richtigen Tempo aufgezeichnet worden war.

Zweite Session am 22. April 1959
Die Aufnahmen begannen mit dem Stück Flamenco Sketches. Die Grundlage dafür bildete Bill Evans’ Komposition Peace Piece. Sie wurde verändert und Evans und Davis machten Skizzen von dem Ablauf des Stückes für die anderen Musiker. Der erste Take lieferte sofort eine vollständige Aufnahme, die auf der neuen Ausgabe der CD als Bonustrack enthalten ist. Tontechniker Fred Plaut entschied aber, dass ein weiterer Versuch unternommen werden sollte, und es dauerte bis zum sechsten Take, bis die Version aufgenommen wurde, die auf dem fertigen Album zu hören ist. Flamenco Sketches ist das einzige Stück auf Kind of Blue, von dem es eine vollständige alternative Aufnahme gibt.

Zum Abschluss spielte die Band All Blues ein. Das Stück verlangte vor allem Chambers viel ab, da er elfeinhalb Minuten lang das prägende Ostinatoschema auf seinem Bass durchspielen musste.
Bei dieser Session war der Pianist Wynton Kelly nicht anwesend.

Der Fotograf Don Hunstein war im Studio und auch der Tontechniker Fred Plaut hatte seine private Kamera dabei, mit der er ein paar Schnappschüsse machte. Dadurch ist die zweite Session ausführlich fotografisch dokumentiert, während bei der ersten überhaupt keine Bilder gemacht wurden.

Das berühmte Albumcover
Der Designer des Covers, S. Neil Fujita, hatte ursprünglich vorgehabt, einen Künstler ein Gemälde für Kind of Blue schaffen zu lassen, doch Miles Davis habe darauf bestanden, dass eine Fotografie benutzt wird. Fujita verwendete daraufhin ein Bild, das Jay Maisel bei einem Auftritt im Apollo Theater gemacht hatte.
Auf dem Original-Cover wird Julian Adderleys Name falsch wiedergegeben (Adderly). Erst auf der CD-Neuausgabe von 1997 wurde der Name richtig geschrieben. Ursprünglich wurden die Titelnamen von All Blues und Flamenco Sketches verwechselt, so dass auf den ersten rund 50.000 Exemplaren das Album mit All Blues aufhörte. Der Begleittext zur LP wurde von Bill Evans geschrieben.
Als das Album 1986 in der Reihe „Columbia Jazz Masterpieces“ auf CD veröffentlicht wurde, bekam es ein Cover mit einem Foto verpasst, das deutlich später aufgenommen wurde, wie unschwer an Davis’ Kleidung zu erkennen ist. Außerdem wurde es gespiegelt, so dass Davis darauf seine Trompete als Linkshänder spielt.

Kind of blue Veröffentlichung

  1. August 1959
    Aufnahme
  2. März 1959, 22. April 1959
    Label Columbia Records
    Laufzeit 45:44

Besetzung
Miles Davis – Trompete
Cannonball Adderley – Altsaxophon (nicht bei Blue in Green)
John Coltrane – Tenorsaxophon
Wynton Kelly – Piano (nur bei Freddie Freeloader)
Bill Evans – Piano
Paul Chambers – Kontrabass
Jimmy Cobb – Schlagzeug

Seite 1

  1. So What – 9:05
  2. Freddie Freeloader – 9:35
  3. Blue in Green – 5:28

Seite 2

  1. All Blues – 11:33
  2. Flamenco Sketches – 9:25
    Bonustrack (CD)
  3. Flamenco Sketches (Alternate Take) – 9:31

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